Gastbeitrag von Robert Reibis,
Director Software Development,
OPTIMAL SYSTEMS GmbH
Webseite: www.optimal-systems.de Mit den meisten Workflow-Systemen können nur starr strukturierte Prozesse abgebildet werden, die immer in der gleichen Form ablaufen. Eine Alternative sind Ad-hoc-Workflow-Module, mit denen jeder Mitarbeiter das Workflow-Modell an geänderte Bedingungen anpassen kann. Allerdings könnte darunter die Prozesssicherheit leiden. Es gibt aber noch einen dritten Lösungsansatz: die „Smart-structured-Workflows“.
Anwendererfahrungen zeigen, dass nicht immer leicht fällt, ein bestehendes Geschäftsverfahren in ein Workflow-Modell umzusetzen. Entweder weil zum Beispiel der konkrete Ablauf nicht bekannt oder nicht exakt zu beschreiben ist oder weil der Ablauf durch viele Ausnahmen extrem komplex ist. Kurzum: Workflow-Systeme, die auf stark strukturierte Prozesse ausgerichtet sind, zeigen sich schnell als unhandlich.
Flexibel, aber unstrukturiert
Eine mögliche Lösung zu diesen Problemen sind die Ad-hoc-Workflows. Die Idee besteht darin die Modellierung und Abbildung der Prozesse stark zu vereinfachen und komplett dem Anwender zu überlassen. Ein Anwender kann also aus kleineren Bausteinen eine Bearbeitungsregel für einen konkreten Vorgang zusammenstellen und dabei angeben, welche Schritte durch welche Anwender bearbeitet werden sollen.
Dieses Verfahren hat seinen Hauptvorteil darin, dass der konkrete Ablauf im Voraus überhaupt nicht bekannt sein muss, sondern durch das Wissen der Mitarbeiter im konkreten Fall festgelegt wird. Lediglich die Einzelschritte müssen vorab definiert werden, also zum Beispiel eine Kenntnisnahme, eine Genehmigung und eine Bescheid-Erstellung.
Durch den Einsatz eines Ad-hoc-Workflow-Systems gewinnt man auf jeden Fall eine elektronische Abbildung der Vorgangsbearbeitung. Damit verbunden ist, dass keine Vorgänge verloren gehen können, dass man systemseitig eine Höchstbearbeitungszeit festlegen kann, dass eine Stellvertretung abgebildet werden kann und dass das Ganze natürlich erheblich schneller ist als die manuelle Postverteilung von Papierdokumenten.
Smart-structured-Workflows
Insgesamt sind Ad-hoc-Workflows eine fast runde Sache. Leider geht dabei ein wichtiger Aspekt unter, nämlich die Prozesssicherheit: Einerseits kann es in einigen Anwendungsfällen durchaus gewollt sein, dass der Mitarbeiter den Bearbeitungsverlauf eines Vorganges vorgibt, andererseits kann man damit nicht zu 100 Prozent sicherstellen, dass wichtige Schritte auch durchlaufen werden. Gleichzeitig kann es sein, dass ein Vorgang so komplex ist, dass der Anwender nur für sein Team oder seinen Bereich die Bearbeitung definieren kann, nicht aber was die weiteren Schritte sind, da er zum Beispiel weder die Verfahren, noch die teilnehmenden Anwender kennt.
Attraktiver ist deshalb eine Mischform, ein Lösungsansatz, der davon ausgeht, dass ein Prozessmodell nicht komplett strukturiert oder komplett ad hoc ist: Smart-structured-Workflows. Damit wird ermöglicht, dass innerhalb eines strukturierten Prozesses an vorher bestimmten Stellen eine Ad-hoc-Bearbeitung erlaubt ist.
Für Prozesse, die nicht starr festgelegt sind, wie in den meisten Unternehmen, kann man den Einsatz von Smart-structured-Workflows empfehlen. So kann z. B. die Posteingangsbearbeitung und -verteilung in dem jeweiligen Grundablauf strukturiert werden - also Erfassen, Klassifizieren, Verteilen, Bearbeiten, Freigeben, Ablegen. Die eigentliche Sachbearbeitung bis zur Erstellung des Bescheides kann als Ad-hoc-Funktion in einem für das jeweilige Unternehmen sinnvollen Prozess belassen werden, da die eingehenden Schriftstücke sehr unterschiedlich sind und nicht immer eindeutig ist, wer was wie zu bearbeiten hat. Die Erfahrung der Mitarbeiter wird in die Entscheidungsprozesse einbezogen, sie können selbst das Workflowmodell innerhalb eines vorgegebenen Rahmens an gegebenenfalls geänderte Bedingungen anpassen. Damit erhalten die Mitarbeiter die Möglichkeit, die Bearbeitung an kompetentere Mitarbeiter abzugeben, zusätzliche Informationen oder Freigaben zu erbitten, Lauflisten einzurichten etc. Danach kann der Prozess wieder strukturiert weitergehen, also etwa zur Freizeichnung, zum Ausdruck und zur Ablage. Prozesse bleiben somit nicht aufgrund von Kompetenz- oder Verantwortlichkeitsfragen hängen.
Der Vorteil dabei besteht tatsächlich darin, innerhalb kurzer Zeit ein funktionierendes und flexibles System aufzusetzen und dabei aber gleichzeitig die Sicherheit zu haben, dass wichtige Bearbeitungsschritte, wie etwa der Eingang, die Verteilung, die Freizeichnung und die Ablage, auf jeden Fall strukturiert ablaufen und gleichzeitig die Flexibilität in der tatsächlichen Bearbeitung gewahrt bleibt.
Es gibt aber noch einen weiteren relevanten Grund, der für den kombinierten Ansatz spricht: man kann die Einführung eines strukturierten Ansatzes zeitlich strecken und damit bei schon gegebener Nutzung der Vorteile schrittweise strukturierte Ansätze einflechten. Wenn beispielsweise für Anträge eines bestimmten Typs immer ein gleicher Weg gewählt wird, wäre es sinnvoll diesen Teil der Bearbeitung strukturiert einzuführen. Das heißt, das Modell wird so geändert, dass allein diese Anträge mit einem festen Bearbeitungsschema versehen werden und alle anderen Anträge werden weiterhin ad-hoc bearbeitet. Wenn sich herausstellt, dass sich weitere Teile aus dem Bereich fest definieren lassen, so kann man es tun, wenn es Vorteile bietet, ansonsten belässt man es bei einer Ad-hoc-Bearbeitung. So gibt es bei der Einführung eines solchen Systems keinen harten Schnitt, sondern man kann sich mit der Umstellung und der schrittweisen Einführung Zeit lassen. Dieser Ansatz ist strukturiert und gleichzeitig geschickt – also smart.